Noch näher und auch verfehlt

Die Polizei, dein Freund und Helfer.

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Die zwei Polizistinnen sind heute zum ersten Mal auf diesem Abschnitt der Autobahn A12 unterwegs. Es sind Nina und Ina, von ihren Kollegen 'die beiden Nanis' genannt. Das Funkgerät des Streifenwagens meldet sich mit einem Zischeln, das von Knackgeräuschen durchdrungen ist.

"Hallo Nanis, irgendetwas stört wieder einmal den Verkehrsfluss zwischen Storkow und Friedersdorf. Seht euch das bitte einmal an", schnarrt der neue, digitale Polizeifunk.

"Ich hätte gedacht, dass die digitale Funke verständlicher ist."

"Äh Nina, kommt auch nur aus China!", erklärt Ina und freut sich: "Upps, reimt sich - Nina, China."

"Da vorn, da scheint die Störung zu sein."

"Ja, sieht nach einer Havarie aus. So wie das Auto aussieht, ist das ein 'irrer Handwerker'."

"Seltsame Lackierung - was macht der eigentlich dort? Holt der sich einen Weihnachtsbaum von der Böschung neben dem Standstreifen?"

"Irre - sage ich doch!"

"Na, dann sehen wir uns den einmal an. Stopp einmal", fordert Nina ihre Kollegin auf.

"Muss das sein?", ist die unsichere Antwort.

"Natürlich. Wir sind die Polizei! Der wird uns das erklären müssen!"

"Na gut, wenn es denn sein muss. Fragen musst du aber. Ich habe meine Probleme mit Irren. In der Schule musste ich fünf Jahre neben einem sitzen."

Der Polizeiwagen hält kurz hinter dem Warndreieck, das in einer größeren Entfernung von dem bunt lackierten Transporter, mitten auf der rechten Fahrspur steht. Nina und Ina steigen langsam aus und ordnen ihre Ausrüstung. Auf der Polizeischule haben sie gelernt, dass ein gutes, ordentliches Aussehen der Uniform Eindruck auf die Bürger macht. Instinktiv möchten sie einen gefühlten, emotionalen Abstand zu dem Verkehrsstörer aufbauen, der da vor ihnen eine Havarie vortäuscht und sich einen Weihnachtsbaum von der Böschung neben der Autobahn schneidet. Das ist in keinem Falle ein normales Verhalten. Nach Herstellung der vorschriftsmäßigen Bekleidungsordnung gehen sie langsam auf den fleckigen Transporter zu. Dessen Fahrer hat inzwischen den Baum auf dem Dach befestigt, steigt ein und fährt los, ohne sie zu beachten.

"Du, der flüchtet!"

Nina und Ina beginnen zu laufen, der Abstand ist jedoch noch viel zu groß. Er lässt ihnen keine Chance, das flüchtende Fahrzeug zu erreichen. Selbst die Dienstwaffe kann bei dieser Entfernung noch nicht eingesetzt werden und eine dichte Wolke aus rußigen Abgasen, die sich hinter dem alten Transporter gebildet hat, verhindert, dass sie dessen Kennzeichen erkennen können. Zu allem Überfluss erstrahlen auf dem seltsamen Fahrzeug eine grüne und eine violette Rundumleuchte. Sie erzeugen auf den anderen Autos, die sich auf der Überholspur drängeln, lustige Farbspiele.

"Warum hast du auch so weit entfernt gehalten! Nun ist er uns entwischt", beschwert sich Nina und schlägt Ina die Mütze vom Kopf.

"Ist doch egal. Ich wollte dem Irren so und so nicht zu nahe kommen."

Weitere Erklärungen werden durch ohrenbetäubendes Schnarren unterbrochen. Auch das geht von dem Transporter aus, der jetzt wie eine überdimensionale, alte, verrostete Straßenbahn schrillt. Zu ihrem Glück entfernt sich der Wahnsinnige mit seinen Fantasiesignalen schnell. Das Schnarren wird zusehends leiser. Dafür fährt auf der Gegenspur ein Oldtimer vorbei der über und über mit blauen Signalleuchten bedeckt ist und wie ein ganzes Rudel von Polizeiwagen heult.

"Wo sind wir hier nur hingeraten?"

"Hoffentlich ist das nicht ansteckend!"

"Wie konnten wir uns in diese Gegend versetzen lassen?"

Sie setzen sich in ihren Streifenwagen und verlassen den Streckenabschnitt so schnell, wie ihnen das bei dem Chaos auf der Autobahn möglich ist. Das bereits von Attila verlassene Warndreieck blockiert weiterhin die rechte Spur und erhält den Stau noch einige Zeit am Leben.