Lieferschwierigkeiten
Mit derartigen Übungen können sich
Leo Tolstoi
nur unernste Menschen abgeben.
Für den Dacapo beginnt der Morgen sehr zeitig. Die eisige Luft der Nacht zieht durch das zerborstene Fenster der Küche in die Wohnung und verteilt sich dort. Das lässt ihn auf seiner Liege frösteln. Noch mehr störten ihn jedoch die fortwährenden Geräusche aus dem Flur. Der Gefangene kommt auf dem Fußboden nicht zur Ruhe. Er stöhnt ununterbrochen und dreht sich polternd auf dem blanken Linoleumboden hin und her. Den Dacapo reizt dieses undankbare Verhalten und macht ihn mit jeder Minute nervöser. Da hat er nun diesen Verbrecher aus seinem Elend befreit und führt ihn wieder zurück auf den Weg des guten, bürgerlichen Lebens. Der auf diese Art Erlöste bedankt sich dafür bei ihm mit einem renitenten Poltern und raubt ihm die Ruhe. Wie soll er sich an dem neuen Tag konzentrieren, dessen Morgen gerade beginnt? Das Verbrechen in der großen, bunten Stadt ruht nie und ihm ist die Aufgabe zugefallen, es im Zaum zu halten. Diese Verantwortung lastet schwer auf dem Dacapo und er kann sich nicht endlos um die Fälle des gestrigen Tages kümmern. Deshalb möchte er den Gefangenen so schnell wie möglich auf der nächsten Wache abliefern. Außerdem quält ihn abermals der Hunger. Der wenige am Abend genossene Thunfisch sättigte nur kurz. Es ist ein Wunder, dass es nicht während der Nacht mit knurrendem Magen erwachte, sondern erst vom unruhigen Poltern des gefangenen Verbrechers geweckt wurde.
Auch Miezi ist bereits munter. Natürlich hat der lärmende 'rocket snatch' das kleine Tier ebenfalls nicht mehr ruhen lassen. Als der Dacapo in den Flur tritt, hüpft der Hund knurrend auf dem wahnsinnigen Kleinkriminellen herum. Ohne Unterbrechung prallt Miezi immer wieder von diesem ab, als wäre das Tier ein Gummiball. Der 'rocket snatch' liegt immer noch gefesselt auf dem Boden, angeschnallt an den rußigen Metallkasten. Rhythmisch gibt der Gefangene einen Ton von sich, Miezi springt in die Höhe und landet mit einem drohenden Knurren wieder auf dem Liegenden. Der scheint nicht begreifen zu wollen, dass er Ruhe halten soll. Beim Auftauchen des Dacapo kommuniziert der kleine Hund laut bellend seinen Wunsch nach Nahrung, ohne dabei seine Turnübung auf dem Bauch des 'rocket snatch' zu unterbrechen. 'Nun gut', denkt sich der Dacapo: 'Jetzt sind in den angrenzenden Wohnungen die Wecker arbeitslos geworden.' Der Nachbar rechts von ihnen beschwert sich darüber augenblicklich und sehr deutlich durch ein nervöses Klopfen. Als kurze und bestimmte Antwort tritt der Dacapo einmal kräftig gegen die Wand. Die prompte Reaktion lässt den Nachbarn verstummen, wirkt die Demonstration der Staatsgewalt vom vergangenen Abend doch noch eindrucksvoll nach. Niemand im Haus scheint sich eine Wiederholung zu wünschen.
"So. Ick hab Hunger, Miezi hat Hunger und dir kann ick nich mea sehn", damit packt der Dacapo den 'rocket snatch' bei den Füßen und zieht ihn zur Wohnungstür.
Auf dem Boden liegt eine geflochtene, lederne Hundeleine. Sie ist zwar nicht mehr neu, jedoch unbenutzt. Miezi reist immer in den Außentaschen des Dienstmantels. Das ist bequem, erspart das Nachjagen hinter einem wahnsinnigen, hyperaktiven und unberechenbaren Ordnungshüter und außerdem sind kleine Hunde ja nicht dumm. In mehreren Schlaufen legt der Dacapo dem Gefangenen die Leine um die Beine. Zufrieden betrachtet er sein Werk, zieht dreimal ruckartig an dem Band und überzeugt sich davon, dass der Kriminelle fest mit diesem verbunden ist.
"Komm Miezi, Essen fassen!"
Diesen Befehl kennt das kleine Tier. Sofort stellt es das Hüpfen auf seinem Opfer ein und positioniert sich neben der Wohnungstür, freudig mit dem kurzen Schwanz wedelnd. Der Dacapo öffnet die Tür und zieht den Gefangenen hinter sich in das Treppenhaus. Da die Wohnung leer und teilweise zerstört ist, spart er sich heute das Abschließen. Miezi zieht die Tür gekonnt mit einer Pfote zu und der Dacapo dreht den 'rocket snatch' auf den Bauch. Der liegt nun auf dem angekohlten Blechkasten und sieht entsetzt auf den Boden.
"So. Jetz wird jeliefert."
Während Miezi freudig in Erwartung eines Frühstücks neben ihm hüpft, zieht der Dacapo sein Paket in Richtung der Treppe. Kreischend schabt der Blechkasten über den Terrazzo-Boden, nun auch noch beschwert mit dem 'rocket snatch'. Die ungewöhnlichen Geräusche hallen durch das gesamte Haus. Wer bisher noch nicht erwachte, hat einen gesunden Schlaf oder Stöpsel in den Ohren. Als der Dacapo dann sein großes Paket die Treppe hinunterstößt, hilft auch das nicht mehr. Mit dem Kopf voran rutscht der 'rocket snatch' auf seinem Kasten die Treppe hinab. Man könnte meinen, er gleitet wie auf einem Schlitten ins nächste, tiefere Stockwerk. So sieht das jedoch nur aus einer großen Entfernung aus und leider trifft es nicht zu. Jede einzelne Stufe wird mit einer endlos wiederholten Abfolge eines lauten Polterns, eines deutlichen Stöhnens und unterdrückten "Au!"-Schreies genommen. Dabei fehlen natürlich nicht das Quietschen und Kreischen des Metalls auf den steinernen Stufen. Diese infernalische Geräuschkaskade begleitet die unfreiwillige Gesellschaft über alle Stufen der sieben Etagen, hinunter bis zum Eingang des Hauses. Nach den ungewöhnlichen Ereignissen des vorhergehenden Abends traut sich kein Einwohner des Aufganges aus seiner Tür zu blicken.
Als die Quelle der Unruhe das Gebäude endlich verlässt, ist weiterhin niemand hinter den Fenstern zu erblicken. Eingeschüchtert von der Gewalt, verstecken sich alle Anwesenden in ihren Wohnungen. Der Dacapo selbst ist abgelenkt durch seinen Hunger und Miezi freut sich auf das Frühstück. So bekommen die Verursacher des Lärms nichts von der beklemmenden Leere mit, die sie umgibt. Sie steht in einem deutlichen Gegensatz zu der sonstigen Menschenfülle in der großen, bunten Stadt. Berlin gleicht normalerweise einem humanen Ameisenhaufen. Die Nähe des Dacapo und seiner tierischen Begleitung scheinen die Berliner heute jedoch zu meiden und so denken die beiden nicht an ihre Mitbewohner und deren Bedürfnisse nach morgendlicher Ruhe. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass der mächtige Geheimpolizist anders handeln würde, wenn ihn nicht der Hunger quälte. Die Durchsetzung der Staatsgewalt hat nun einmal Vorrang vor allen anderen Wünschen und bei der Wahl der Mittel darf man nicht kleinlich sein. Jede seiner Aktionen ist zugleich eine anschauliche Demonstration des Gewaltmonopols und eine Lehrvorführung für alle Anwesenden.
Um den gefangenen Kriminellen noch etwas zu foltern, gehen der Dacapo und sein Polizeitier erst einmal ausgiebig frühstücken. Anschließend werden sie ihn auf der nächsten Wache abgeben - natürlich ebenfalls begleitet von exzessivem Poltern, Schaben, Knirschen, Kreischen und Stöhnen, so wie sich das gehört. Zuerst einmal darf der 'rocket snatch' den beiden jedoch beim ausgiebigen Mahl am Stehimbiss von seinem Platz am Boden aus zusehen. Dort darf er nach Herzenslust stöhnen, soviel er möchte. Natürlich bekommt er nichts Essbares von seinen Fängern ab, denn es gilt: Verbrechen zahlen sich nicht aus.
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Jeder Knochen in seinem Körper schmerzt, er friert und der Kabelbinder, der seine Hände auf dem Rücken fixiert, hat beide Gelenke wund gescheuert. Auf dem Tisch über ihm werden Schrippen mit Schinken und viel Rührei verzehrt und dabei hält dieser wahnsinnige Polizist seinem Hund auch noch einen endlosen Vortrag über die Reinigung der Dienstwaffe. Unterdessen sitzt das kleine Vieh auf dem Tisch und kämpft knurrend und bellend mit einer belegten Schrippe. Er bekommt kein Essen, trotz des Hungers, der in seinen Eingeweiden gurgelt. Dieses bohrende Hungergefühl kämpft in ihm gegen die Druckstellen an allen Knochen um die Vorherrschaft in seiner Wahrnehmung. Während er sich nicht entscheiden kann, welcher Schmerz das geringere Übel ist, muss er auch noch auf dem Boden liegen, Rührei und Schinken riechen und sich anhören, wie man mit einem Waffenpinsel umgeht. Bereits seit dem gestrigen Abend hat er nichts mehr gegessen. Den erfolgreichen Abschluss seines großen Coups wollte er in einem der amerikanischen Restaurants mit einem Hamburger feiern. Dazu ist es dann leider nicht mehr gekommen, weder war der Coup erfolgreich, noch konnte er eine der Kuhbulettenbrätereien besuchen. Der wahnsinnige Beamte überrumpelte ihn und verspeiste mit seinem Hund ganz allein den Thunfisch. Gut, er isst keinen Fisch, schon aus Prinzip nicht: Fische sehen in den meisten Fällen grau aus und graue Superschurken essen nun einmal nichts Graues. Er ist schließlich kein Kannibale! Andere Nahrungsmittel schienen in der Behausung des Beamten gar nicht zu existieren und wahrscheinlich hätte er von diesen auch nichts abbekommen. Er fühlt sich schwach, schlecht, unverstanden, ungeliebt und geschunden. Der morgendliche Abtransport war demütigend. Sein grauer Anzug war neu. Jetzt ist er verschmutzt und an vielen Stellen eingerissen. Wie kann man einen Superschurken so behandeln? Schließlich ist er die Personifizierung eines bösen Batman - gemäß seines grauen Anzuges eigentlich ein Ratman. Versteht ihn denn niemand in dieser Stadt? Sieht hier niemand seine Potenziale? Bisher dachte er immer, die Medien würden ihn lieben. In seinen Träumen malt er sich täglich aus, wie Abend für Abend die Kinder der großen, bunten Stadt auf die Berichte über seine spektakulären Schurkereien warten, wie die Journalisten ihn bedrängen und er in Interviews glänzt. Nichts, gar nichts, nicht ein kleines Stückchen davon wird wahr. Er ist von Ignoranten und Wahnsinnigen umgeben, die einfach und ungestört 'ihr eigenes Ding' machen. Seine Wünsche scheinen nirgendwo und bei niemandem eine Rolle zu spielen.
Ehe er hier noch weiter hungrig, ignoriert und frierend auf dem kalten Boden liegt, kann er auch flüchten. Niemand wird ihn vermissen. Neben dem Abfalleimer vor seinem Bauch liegen einige braune Scherben. Sie stammen offensichtlich von Bierflaschen, die hier am gestrigen Abend zu Bruch gingen und die Stadtreinigung war noch nicht tätig. Er schiebt sich näher an die scharfkantigen Glasstücke heran und ertappt sich dabei, wie er versucht, auf dem Rest eines zerrissenen Etiketts den Markennamen zu lesen. Noch während er sich darüber ärgert, dreht er sich ruckartig um. Sein Blechkasten verursacht dabei ein metallisches Klappern, das die beiden über ihm nicht zu stören scheint. Um bei ihnen auch wirklich keinen Argwohn zu erwecken, stöhnt er der Vorsicht halber einige Male laut und übertrieben, was ganz sicher dem Benehmen entspricht, das von ihm erwartet wird. Über ihm bleibt alles unverändert. Als Untermalung zu dem ununterbrochenen Knurren des Hundes erklärt der Polizist gerade sehr detailliert, welche Temperatur Waffenöl bei der Nutzung haben muss. Niemand nimmt von ihm Notiz, selbst die wenigen Passanten sehen ihn scheinbar nicht unter dem Tisch liegen. Oh ja, er ist als Glied der Gesellschaft abgekoppelt worden, er gehört nicht mehr dazu, hat jegliche Verbindung zu seinen Mitmenschen verloren. In seine Depression versunken, beginnt er mehr oder weniger mechanisch den Kabelbinder an der scharfen Scherbe zu reiben. Diese eintönige Anstrengung setzt er für einige Minuten fort, bis das Plastikband endlich zerreißt. Unbemerkt bekommt er seine Hände frei. Nachdem sie ihm einen halben Tag auf dem Rücken gebunden waren, scheinen sie vor seinem Körper nicht mehr zu funktionieren. Schlaff und taub hängen seine Arme über den verkohlten Blechkasten auf seinem Bauch. Wie soll er nun den Kabelbinder aufschneiden, der seine Füße zusammenhält? Er dachte, hat er erst einmal die Hände frei, setzt er sich auf und schneidet mit der Scherbe das zweite Plastikband entzwei. Die tauben Finger halten das Stück Glas jedoch nicht, mehr als eine schmerzhafte Bewegung in den Schultern ist ihm augenblicklich nicht möglich. Murks! Also muss er ohne befreite Füße fliehen, schließlich hat er sich es vorgenommen und seine Pläne führt er immer aus. Laufen fällt damit aus. So stützt er sich auf die Arme und mit letzter Kraft kriecht er wie ein Schlammspringer vorwärts. Er sieht diesem putzigen Fisch zum Verwechseln ähnlich, der mit seinen Vorderflossen durch den Schlamm der Mangrovenwälder robbt und hüpft. Der Metallkasten unter seinem Bauch scharrt dabei knirschend und quietschend über die Betonplatten. Er kommt nur sehr langsam vorwärts. Die Richtung ist ihm dabei völlig egal, ihm kommt es ausschließlich darauf an, zu flüchten - nur weg von dem wahnsinnigen Geheimpolizisten.
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Der Dacapo und Miezi lassen sich nicht beim Essen und Fressen stören. Sie schauen in Ruhe zu, wie der 'rocket snatch' seine Flucht vorbereitet und anschließend über den Platz kriecht.
"Hey, euer Paket macht sich selbstständig!", informiert sie der Besitzer des Stehimbisses aufgeregt.
"Och, det kommt nich weit", beruhigt ihn der Dacapo.
Interessiert verfolgen nun drei Augenpaare den Zickzackkurs des Flüchtenden. Ein spezielles Ziel scheint er nicht zu haben, immer wieder stößt er auf seinem Weg gegen Hindernisse. Schwerfällig mit den Armen rudernd und laut stöhnend, zieht der 'rocket snatch' sich vorwärts. Dabei ritzt der Metallkasten, auf dem er liegt, mit einem kreischenden Quietschen deutlich sichtbare Riefen in das Betonpflaster. Auf seinem kurzen Weg fallen ihm drei Abfallkörbe und mehrere aufgestapelte Bierkästen zum Opfer. Leere Bierflaschen rollen klirrend über die verwitterten und zerkratzten Betonsteine, bleiben ab und zu an alten, schwarzen, breitgetretenen Kaugummis hängen und verteilen sich langsam auf dem Platz vor dem Imbisswagen. Dessen Besitzer stürzt aus dem Wagen und blickt deprimiert und wütend zugleich den rollenden Flaschen hinterher.
"Das kann doch nicht wahr sein! Wer soll das jetzt wieder aufräumen?"
Der Mann springt erbost den Flaschen hinterher und versucht deren Tanz aufzuhalten. Zu seinem Leidwesen gelingt ihm das nicht und sie verteilen sich durch seine Bemühungen noch weiter über den Platz. Erst als er einen breiten Besen aus dem Imbisswagen holt und damit die grünen und brauen Bierflaschen zusammenfegt, kommt wieder etwas Ordnung in das Geschehen. Stöhnend bückt sich der Kioskbesitzer nach den Flaschen und sortiert sie in die Kästen.
"Könnt ihr den Irren nicht besser anbinden? Ihr habt euren Spaß und ich muss bereits am Morgen sinnlos arbeiten!"
Während der gesamten Aufräumaktion hat der flüchtige Kriminelle sich um gerade einmal drei weitere Meter entfernt.
"Wetten, de Vabrecha knallt mit de Rübe jegen'e Laterne?", kommentiert der Dacapo unbeeindruckt das Geschehen.
Miezi versteht natürlich nichts - schließlich ist die menschliche Sprache für Hunde nur ein schreckliches, unmelodisches Husten ohne jeglichen Inhalt und Modulation. Deshalb glauben diese Tiere, alle Menschen haben eine chronische Bronchitis. Sie versuchen mit wiederholtem Bellen den Kranken zu zeigen, wie man auf korrekte Art und Weise die Bronchien befreit. Da Menschen zusätzlich noch dämlich sind, begreifen sie das natürlich nie. Im Laufe ihres Lebens finden sich alle Hunde langsam mit den Unzulänglichkeiten der unbelehrbaren Zweibeiner ab. Auch Miezi hat inzwischen verstanden, dass sein Begleiter und Träger schwer von Kapee ist. Mit dem Essen zufrieden und das äußerst seltsame Exemplar der Füttererspezies beobachtend, das mit gebundenen Beinen und ohne Ziel über den Platz kriecht, knurrt das kleine Tier zustimmend. Anschließend widmet es sich wieder dem Zerfleischen einer belegten Schrippe.
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Unterdessen kriecht der 'rocket snatch' unbewusst aber zielstrebig auf die einzige Laterne zu, die im Umkreis von fünfundzwanzig Metern zu finden ist. Er ist bereits so erschöpft, dass seine kraftlosen Arme ihn nur noch mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte bewegen. Auf eine skurrile Weise gleicht er diesem Tier sogar, nur dass er auf seinem Panzer rutscht, anstatt diesen auf dem Rücken zu tragen. Ungeachtet dessen wird er mit jedem Zentimeter optimistischer: Endlich hat er seine Richtung für eine erfolgreiche Flucht gefunden. Ein letzter Anflug von Hoffnung durchströmt ihn und mobilisiert die kümmerlichen Reste an Energie, die ihm noch verblieben sind. Glaube kann bekanntlich Berge versetzen und er glaubt an einen positiven Ausgang seiner Flucht. So pumpt die aufflammende seelische Wärme die letzte Kraft in seine Muskeln. Leider wird damit seinem Hirn weitere Energie entzogen und er beschleunigt noch einmal seine Flucht, kurz bevor er den Mast erreicht. Während der 'rocket snatch' mit den Zuständen in seinem Inneren und der Verwaltung des Energiemangels beschäftigt ist, nimmt er die Laterne nicht wahr. Sein Zusammentreffen mit dem vertikalen Stahlrohr ist somit überraschend für ihn und laut und belustigend für die Zuschauer. Das 'Bong' des anschlagenden, ungeschützten Kopfes ist klar über den gesamten Platz zu hören. Der 'rocket snatch' beendet seine Flucht abrupt, gibt vollkommen entkräftet auf und bewegt sich nicht mehr. Selbst die marode Infrastruktur der großen, bunten Stadt ist heute nicht auf seiner Seite.
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"Siehsde, sach ick doch. Vabrecha hat keene Peilung", kommentiert der Dacapo.
Triumphierend schiebt er sich das letzte Stück der belegten Schrippe in den Mund. Der Imbissbesitzer beugt sich besorgt aus dem Fenster seines Wagens und beobachtet den reglosen Flüchtenden.
"Ist der tot?"
"Ach watt, Vabrecha is nich dod ... isn kriminella Simulant. Los Miezi, jetz bringn wan inne Zelle."
So gilt am Ende weiterhin und unbestritten: Verbrechen zahlen sich nicht aus.