Kein Weg hinaus
Dies ist der andre Weg, geh diesen Weg;
Otfrid von Weißenburg
sei sicher, dieser führt dich heim.
In der Kirchstraße war es dunkel geworden. Blaue Lichtreflexe huschten über Zäune und Wände der Häuser. Die farbigen Streifen tasteten die Umgebung zaghaft ab. Offensichtlich waren sie auf der Suche nach etwas. So sehr sie sich auch anstrengten: Sie blieben erfolglos. Jeder der Lichtstrahlen hatte seinen Ursprung in einer der vielen Rundumleuchten eines Polizeiwagens. Ein 1970-er Oldtimer stand mitten auf der leeren Straße geparkt. Er war mit blinkenden, blauen Lichtern übersät. Selbst an den Kotflügeln befanden sich flache Leuchten, die rhythmisch in blauem Licht erglühten. An diesem Sonntagabend war jegliche Bewegung in der märkischen Kleinstadt erstorben. Die Straßensperrung interessierte keinen der Einwohner. Es war die Zeit der Familie und des gemeinsamen Abendessens, wie in allen deutschen Kleinstädten. Vor dem ungewöhnlichen Gefährt stand eine schmächtige Person.
Sie war in ein zerrissenes Kapuzen-Shirt gekleidet. Handschellen hielten ihre beiden Hände vor dem Bauch zusammen. Dieses spezielle Accessoire und die Gesamtsituation sorgten wohl für die hängenden Schultern und den deprimierten Gesichtsausdruck.
"Wer bist' eigentlich?"
Diese Frage stellte ein Polizeiwesen, das nicht von dieser Welt zu sein schien. Es hatte einen kugeligen, glatten Kopf, der keine Oberflächenstrukturierung zu besitzen schien. Er war nur mit Fortsetzen anstatt Ohren und großen Augenwülsten versehen. Eventuell befanden sich dort auch keine Augen, zumindest war nichts davon zu erkennen. Der lange, schwarze Ledermantel reichte beinahe bis auf den Boden und hüllte es vollständig ein. Seine Falten verbargen jegliche Körperstruktur. Blaue, glimmende, riesige Schulterklappen beleuchteten den Kopf an dessen Unterseite.
"Tommy - Thomas Knopfke", kam als zaghafte Antwort unter der Kapuze hervor.
"Ah, Knopfke! ... sacht ma nix."
Das Wesen griff sich mit der linken Hand an den Kopf und riss ihn sich ab. Tommy zuckte zusammen und begann in Erwartung weiterer, noch schrecklicherer Ereignisse zu zittern. Als anstatt des Kopfes nur ein langer, brauner Nylon-Strumpf in der Hand seines Gegenüber verblieb und ein normaler Kopf mit einer großen Hornbrille zum Vorschein kam, fing sich Tommy wieder. Er betrachtete den Fänger, der ihn gefesselt hatte, eingehender. Dieser entfernte seine Ohrstöpsel und wurde damit noch menschlicher als zuvor. Er wirkte jetzt fast vertrauensvoll. 'Wahrscheinlich auch ein Beschaffer. Zumindest keine wirkliche Polizeistreife. Kein Polizist trägt eine Strumpfmaske', überlegte Tommy. Irgend eine Möglichkeit musste es doch geben, aus der Falle zu entwischen und die Flucht fortsetzen zu können. Vielleicht konnte er ein Geschäft aushandeln. Einen Versuch war es zumindest wert.
"Du überlässt mir jetzt den Oldtimer und ich lass dich laufen", war der übereilte und wenig durchdachte Vorschlag, der forsch unter der Kapuze hervordrang.
Tommy sah dem Maskenlosen unschuldig und freundlich in die Augen. Das konnte er gut. Mit dem Erwecken scheinbarer Hilf- und Harmlosigkeit war er bereits aus so mancher Zwickmühle gekommen. In der Beurteilung des Dacapo hatte er sich geirrt. Der gewaltige Geheimpolizist war nicht manipulierbar und er trug Strumpfmasken, immer. Schließlich war er 'Anonyma Zivila'. Diese Verkleidung schützte auch vor Manipulationen. So zog er den Strumpf wieder über seinen Kopf. Trotzdem, irgendwie war der Dacapo zuerst etwas irritiert. Unter der Maske verborgen, überlegte er angestrengt, was sein Fang plante. Er konnte diesen Ausspruch von Tommy nicht mit den Geschehnissen der letzten Minuten in Deckung bringen. Hatte er doch den Autoknacker auf frischer Tat ertappt, gestellt und festgesetzt. Jetzt sprach dieser davon ihn - die Verkörperung der Staatsgewalt - laufen zu lassen!
"Ja aber - merks'de nich, dass ick dir verhaftet habe?"
Tommy bemerkte den Fehler in seinem übereilten Angebot und versuchte noch etwas zu retten.
"Doch schon, aber im Fernsehen machen die dann immer so Deals. Da dachte ich, das machen wir beide jetzt auch so."
Der Dacapo baute sich drohend vor Tommy auf. Die große Gestalt des gewaltigen Geheimpolizisten überragte den Autodieb um eine ganze Kopfeslänge.
"Glaubs'de etwa, ick bin aus'se Flimmerkiste?"
Als der überlange Lauf der mächtigen Pistole in seinen Bauch pikste, klappte Tommy mental zusammen. Das war es gewesen. Der seltsame Polizist war doch echt, meint es ernst und hatte ihn gefangen: aus und vorbei. Der Bonus für dieses Jahr war weg und im nächsten Jahr würde er wohl bestimmt nur die Mindestversorgung für Inhaftierte vom Konsortium bekommen.
"O.k. ... Tschuldigung."
Der Dacapo öffnete die Fahrertür des Wagens, kippte den Sitz nach vorn und schubste Tommy auf die Rückbank. Von der Decke hing eine kurze Kette. Wenige Augenblicke später waren die Kette und die Handschellen durch ein winziges Vorhängeschloss miteinander verbunden. Der kleine Hund, der kurz zuvor noch die Brusttasche des Kapuzen-Shirts zerfetzt hatte, sprang durch die Tür und setzte sich ebenfalls auf die Rückbank. Er knurrte den Gefesselten an.
"Benimm dich", sagte der Dacapo und kippte den Sitz zurück.
Tommy wusste nicht, ob das ihm oder dem Pekinesen galt, der ihn unablässig in die Seite knuffte und dabei knurrte. Im hinteren Teil des überblauen Einsatzwagens war es eng geworden und die Kette reduzierte seine Bewegungsfreiheit auf ein Minimum. Tommys Stimmung sank auf ein Allzeittief.
Der Dacapo dagegen, begann bessere Laune zu bekommen. Ging es doch zurück nach Berlin-Treptow. Er durfte endlich die Provinz verlassen, in die große, bunte Stadt zurückkehren und einen Erfolg hatte er auch noch vorzuweisen. Er ließ den blubbernden 8-Zylinder-Motor an und fuhr langsam in Richtung des Marktplatzes davon. Bis dorthin konnte er sich von der Ankunft erinnern. Es war, als sei er erst mit der Driftaktion quer über den Marktplatz erwacht. Daran, wie er den Weg in den Ort hinein gefunden hatte, konnte er sich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Egal wo er entlangfahren musste, am Ende hatte er noch immer den Weg zurück in seine Heimatstadt gefunden. Also fuhr er munter und gerade darauf los - weiter nach Süden. Das war natürlich nicht der richtige Weg und der erste Wegweiser zeigte ihm das sehr deutlich. Nach Beeskow wollte er nicht. Von diesem Ort hatte er noch nie etwas gehört. Es wurde ihm sofort klar, dass der noch weiter als Storkow von Berlin entfernt sein musste. An der nächsten Kreuzung fuhr er wieder nach links in Richtung Norden. Dort war die Heimat und dort musste er hin. Als eine Burg auf der rechten Straßenseite erschien, war er sicher, nach links fahren zu müssen. Und schon stand er wieder auf dem Marktplatz. Jetzt wurde er nervös. Offensichtlich führten alle Straßen nach Storkow und keine wieder hinaus. Diese Erkenntnis traf ihn mit solcher Wucht, dass er sie sofort seinen beiden Gefährten mitteilen musste. Miezi war das ganz egal. Der kleine Hund verstand den Berliner Dialekt immer noch nicht.
"Wenn hier niemand rauskommt, dann müsste es in den Jahren ganz schön voll geworden sein. Kann aber niemanden außer uns sehen...", platzte Tommy heraus.
Das ließ sich der Dacapo nicht zweimal sagen. Der gefangene Verbrecher nahm ihn offensichtlich nicht ernst! Wütend kniff er die Augen zusammen. Sein Mund formte sich zu einem schmalen Schlitz und mit einem kräftigen Tritt drückte er das Gaspedal gegen das Bodenblech. Der Wagen war solch rüde Behandlung gewohnt. Sein V8-Block stöhnte brüllend auf. Er drückte hörbar aus, was der Fahrer empfand: Entrüstung und Wut. Quietschend schleuderte der Wagen durch die abendlichen Straßen der Innenstadt von Storkow. In jeder Kurve brach das Heck aus und das Differenzial hatte Probleme, die Kraft des Motors adäquat der unangemessenen Fahrweise auf die beiden Hinterräder zu verteilen. Während die Kegelzahnräder der Kraftverteilung summten, wütete der Dacapo hinter dem Lenkrad. Nach der dritten Runde, die sie immer wieder zum Marktplatz und vorbei an der Burg führte, begann der Magen von Tommy zu rebellieren. Miezi hatte das Autofahren erst als Weggefährte des Dacapo kennengelernt. Für den kleinen Pekinesen war eine ekstatisch, extrovertierte Fahrweise, die sich aus Prinzip nicht an den erlassenen Regeln orientierte, also völlig normal. Er wunderte sich über den Farbverlust im Gesicht des Gefangenen, der mit ihm die Rückbank teilte. Ein hinreichender Grund, um nervös bellend dem Fahrer anzuzeigen, dass sich die Lage auf den hinteren Sitzen negativ entwickelte. Mit einem hastigen Blick in den Rückspiegel erfasste der Dacapo die Situation.
"Wenne dich hier überjibst, dann überjib ick dich dem Scharfrichter", brüllt er über die Schulter.
Tommy schluckte nervös, wurde ob der nachdrücklichen Drohung noch bleicher und klammerte sich an seiner Kette fest. Wer hätte das gedacht. Die Kette, die ihn fesselte, war sein Anker in dem aktuellen Wahnsinn geworden. Sie gab ihm den notwendigen Halt und verband ihn mit dem Wageninneren. Er konnte nicht ahnen, dass das Chaos noch nicht seinen Höhepunkt erreicht hatte.
Bei ihrer vierten Ankunft auf dem Marktplatz trafen sie unerwartet auf einen Einwohner. Mitten auf der Straße und auch mittig im Lichtkegel einer der Laternen, stand eine zierliche Person, ein Mädchen. Von einem Augenblick auf den anderen war es plötzlich erschienen. Weiche, gelbe Wogen von Photonen umspielten es und gaben ihm ein zartes, beruhigendes Aussehen. So wie es dort stand und erleuchtet wurde, erinnerte es an 'zu Hause'. Der Dacapo war sich vollständig sicher, dass sich unter der Lampe noch niemand befunden hatte, als sie in die Straße eingebogen waren. Da die Wege und Plätze Storkows um diese Zeit menschenleer waren, fiel ihm jeder Passant ganz besonders auf. Das Mädchen passierte jedoch nicht, es stand mitten auf der Straße und für den breiten Wagen gab es keine Möglichkeit auszuweichen. So kam, was kommen musste und was Miezi und der überblaue Einsatzwagen bereits zur Genüge kannten - eine Notbremsung. Schon wieder quietschten die Reifen, laut und energisch radierten sie über den Asphalt. Zu diesem Zeitpunkt versagte das Getriebe die Folgschaft und würgte den Motor ab. Das schwere Fahrzeug brach zur rechten Seite aus, drehte sich dabei quer zum Verlauf der Fahrbahn und folgte dem Impuls der Bewegung weiter. In seiner Driftbewegung kam es etwa einen Meter vor dem unbeweglich stehenden Mädchen zum Stillstand. Ruhe, Bewegungslosigkeit - nur im Wageninneren pendelten die Köpfe der Fahrgäste noch hin und her. Das Mädchen blickte durch das Fenster der Fahrertür direkt auf den Dacapo und lächelte ihn an. Nach einer Reihe tiefer Atemzügen, die ihn beruhigten und den Pegel des in den vorherigen Schrecksekunden aufgebauten Adrenalins langsam senkten, kurbelte er das Fenster hinunter. Noch bevor der gewaltige Geheimpolizist eine erziehungswirksame Standpauke halten konnte, sprach das Mädchen ihn an.
"Sei gegrüßt, unermüdlich Kreisender."
Das klang ganz und gar nicht nach dem orts- und zeitüblichen 'Hi' oder etwas schüchternen 'Hallo'. Schon wieder war der Dacapo sprachlos. So blieb ihm die Zeit für eine Musterung des Mädchens, das so spät und allein im sonntagabendlichen Dunkel unterwegs war. Er konnte keine Anzeichen für die geistige Störung entdecken, die der Polizist zuerst bei ihm vermutet hatte. Eher etwas abenteuerlich wirkte das Kind. Die bunte Ringelstrumpfhose und die samtene Jacke, die aus vielen Flicken in den Farben des Herbstes zusammengesetzt war, wirkte seltsam vertraut auf ihn. Auch die große Kapuze, die in einem langen Zipfel endete, der fast den Boden berührte, erstaunte ihn nicht. Das war verständlich, denn er kam aus Berlin. Dort waren täglich Menschen in allen möglichen und unmöglichen Bekleidungen unterwegs. Das Mädchen hatte das lange, blonde Haar zu einem großen Zopf gebunden und diesen auf dem Kopf in einen Kranz gelegt. Einzelne, kleine Blüten steckten darin. Erst einige Gedanken später fiel dem Dacapo auf, was ihn an der zierlichen Person irritierte: Sie trug zwei unterschiedliche Schuhe, einen flachen Sneaker an dem einen Fuß und der andere wurde durch einen Stiefel bekleidet.
"Hallo Kind, 's schon spät. Soll ick dich zu de' Eltern bringen?"
"Vielen Dank für ihre Bemühungen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher. Leider wird auch dir das nicht gelingen. Das liegt außerhalb deiner Macht."
"Macht? Ick bin praktisch die gewaltige Staatsmacht!"
"Ja, ich weiß. Trotzdem bist du nicht mächtig genug."
Auf der Rückbank sank Tommy in sich zusammen. Er machte sich ganz klein. Dieser Polizist hatte eine Macht- und Gewalt-Psychose. Jeder, der seinen Weg kreuzte, war gut beraten, ihn nicht auf das Thema 'Macht' anzusprechen. Sein Deal-Experiment war noch harmlos gewesen im Vergleich zu der Behauptung, die Macht des Dacapo würde nicht ausreichend sein. Tommy erwartete einen Wutausbruch, der gleich einem Tornado die gesamte Kleinstadt verwüsten würde. Schützend beugte er sich über den kleinen Hund. Dieser hatte, offensichtlich wegen seiner Sprachprobleme, gar nichts verstanden und fühlte sich eingeengt. Er versuchte, sich mittels eines drohenden Knurrens Platz zu verschaffen. Als das nicht gegen den Beschützerinstinkt seines Sitznachbarn half, verbiss er sich zum zweiten Mal an diesem Abend in die Bauchtasche von Tommys Kapuzen-Shirt.
Den Dacapo ließ das Geschehen komplett unberührt. Mit einem Mal war ihm klar geworden, dass das Mädchen durch eine Verwerfung in den Abläufen der Zeit geschlüpft war. Es hatten einen dieser extrem seltenen Risse im Gefüge des Universums genutzt, um hier zu erscheinen. Außerdem wusste er, dass es nur für ihn erschienen war und dass es diese Sprünge im Gefüge der Zeit förmlich anzog. Er konnte sich seine Gewissheit und die Herkunft des Wissens nicht erklären. Was ihm vollständig egal war. Auch sein Beschützerinstinkt war erwacht. Langsam öffnete er die Tür und schraubte sich aus dem Wagen. Dann ging er vor dem Kind, mitten auf der Straße, in die Hocke. So hatten sie die gleiche Augenhöhe.
"Sag mir, was kann ich für dich tun? Was ist dir geschehen?"
Mit einem Mal sprach der Dacapo Hochdeutsch. Wer ihn länger und besser kannte, der wusste, dass der schnodderige Brandenburger Dialekt genauso zu seiner Tarnung als 'Anonyma Zivila' gehörte, wie zum Beispiel die Strumpfmaske. In Situationen, die ihn zutiefst berührten, vergaß er den Dialekt zu nutzen, ließ seine Masken fallen. Anstatt einer Antwort begann das Mädchen zu singen:
Ich arme Tambourette,
Man führte mich aus der Zeiten Gewölbe,
Wäre ich beim Tambour geblieben,
Dürfte ich nicht gefangen liegen.
Oh Himmelsdom, du hohes Haus,
Du siehst so furchtbar aus,
Ich schaue dich nicht mehr an,
Weil ich weiß ich gehöre nicht hieran.
Wenn die Zeit vorbeimarschiert,
Bei mir nicht einquartiert,
Wenn ich mich frage, wer ich gewesen bin:
Tambourette von der Schwedengarde.
Der Dacapo sah sie betroffen und traurig an.
"Armes Mädchen, bei deiner Heimkehr kann ich dir leider wirklich nicht helfen. Aber vielleicht kannst du mir einen Ratschlag geben. Ich kann den Weg aus dieser Stadt nicht finden, möchte ich doch zurück in die große Stadt im Norden."
"Dann lass mich dir helfen", sagte die Tambourette traurig-sanft. "Im Norden ist auch meine Heimat - dort ist das Paradies. Alle Paradiese sind im Norden, immer. Sie sind dort, wo die Bruchwälder und Auen enden. Wusstest du das?"
"Ob Berlin das Paradies ist, weiß ich nicht. Für einige Menschen bestimmt. Nur, wie gelange ich wieder dorthin?" Er sah das Mädchen ratlos an.
"Du musst an der nächsten Weggabelung nur die Augen schließen und den Weg des Herzens wählen. Dann verlässt du die Wälder", sprach die Tambourette verträumt. Mit einem traurigen, leisen Unterton setzte sie hinzu: "Ich kann leider die Augen vor nichts verschließen, ich kann die Wälder des Dahmelandes nicht verlassen."
Dieser Ratschlag sagte dem Dacapo nichts.
"Ich kann mich an keine Wälder erinnern. Bei der Ankunft habe ich ausschließlich Ackerflächen gesehen."
"Oh doch, vor einigen Jahrhunderten waren viele hier und in einigen werden diese auch wieder sein. Die Zeit holt sich alles wieder zurück: Wald und Wasser und Auen und Bruch..."
"Und du glaubst, dass es funktioniert?"
Mit einem Mal erinnerte er sich an die Fahrradfahrer, die er auf seiner Fahrt nach Storkow im Wald getroffen und von der Straße gefegt hatte.
"Doch ja, es könnte wirklich funktionieren. Vielen Dank für den Ratschlag", beschloss er das Gespräch und richtete sich auf. Als er sich umgewandt hatte, fiel ihm eine Begebenheit ein, von der er vor nicht allzu langer Zeit gehört hatte.
"Ach, ein Mensch fällt mir ein, der dir helfen könnte: der Zeitreisende. Obwohl ich bisher nur von ihm gehört habe, bin ich von seiner Existenz überzeugt. Wenn ich ihn treffe, bitte ich ihn, dir zu helfen."
"Vielen Dank Gewaltiger", sagte die Tambourette und beendete ihrerseits das Gespräch mit einer Verbeugung.
Das Mädchen ging in eine Seitenstraße davon. Der Zipfel der langen Kapuze wippte und pendelte und die Schelle an ihrer Spitze läutete leise. Einen Augenblick später war es in der Dunkelheit und den Falten der Zeit verschwunden, so plötzlich, wie es erschienen war. Der Dacapo ließ sich auf den Fahrersitz des Oldtimers fallen.
"Uff! Dat is wat! Jetz nischt wie nach Hause." Da war er wieder, sein Dialekt.
"Sie wollen doch nicht wirklich beim Fahren die Augen schließen?", fragte Tommy zaghaft. Seine Übelkeit war gerade verschwunden und er begann sich, soweit man das angekettet konnte, etwas wohler zu fühlen.
"Klar doch! Wie's die Tambourette jesaacht hat!", war die schnelle und bestimmte Antwort.
Miezi drehte sich auf der Rückbank um, um das Desaster nicht mit ansehen zu müssen. Der Motor startete blubbernd beim zweiten Versuch und der Dacapo wendete den Wagen. Als die Burg vor ihnen auftauchte, schloss er die Augen, dachte an Wälder und entschloss sich nach links abzubiegen. Mit geschlossenen Augen konnte er das rote Licht, das die Ampel in seine Richtung strahlte, nicht sehen. Miezi sah es auch nicht und Tommy wurde wieder bleich. Sein Magen rebellierte gegen die Schwerkraft und die Übelkeit kam auf einen Schlag zurück, als ob sie ihn nie verlassen hätte. 'Hoffentlich ist diese Fahrt bald beendet.' Diesen Gedanken wiederholte er gebetsartig immer und immer wieder. Als sich der Dacapo an der nächsten Kreuzung mit geschlossenen Augen zu ihm umdrehte, schloss auch Tommy die Augen. 'Ich werde sterben: angekettet, unter Verrückten und einsam in der Provinz!', war sein letzter Gedanke, bevor der Wagen eine weitere der rot leuchtenden Ampeln passierte. Aus irgend einem Grund, der Tommy wegen seiner geschlossenen Augen entging, hatte das Krachen und Poltern hinter dem Einsatzfahrzeug keine Erschütterungen im Wageninneren zur Folge.