Wozu sind Emotionen gut?

Solange wir glaubten, es handle sich bei den Göttern um externe Kräfte, haben wir ihre Existenz gefürchtet oder bezweifelt. Nun, da wir erwachsen geworden sind und zwischen der Traumwelt und der äußeren Umgebung unterscheiden können, ist es an der Zeit, die Götter in uns wiederzuentdecken und ihnen die Macht zurückzugeben. Sie sind die Quellen der Emotionen und niemand kann ihnen auf Dauer widerstehen.

Emotionen machen Gefühle.

Sie sorgen dafür, dass uns das Wasser im Mund zusammenläuft, die Hormone in Wallung geraten oder dass wir uns vor Angst zitternd zurückziehen.

Emotionen steuern das Denken.

Sie herrschen über unseren Verstand. Sie vermitteln ein gefärbtes Bild der Realität, mischen Inhalte und Bewertungen hinzu und lassen uns so manches übersehen.

Emotionen lassen uns handeln.

Intelligente Menschen machen oft saudumme Sachen – und umgekehrt. Zumindest dann, wenn es um etwas Wichtiges geht, wenn wir etwas unbedingt erreichen oder vermeiden sollten, schalten sie die selbstkritische Beurteilung des Handelns aus.

Mir wird ein bestimmter Gedanke bewusst.

Es vermittelt sich mir eine Idee, ein Gefühl.

Ich spüre in mir den Impuls, etwas zu tun oder zu unterlassen.

Das Bewusstsein ist der Empfänger.

Das Vor- oder Unbewusste sendet.

Man mag einwenden, dass man bewusst auch die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungsimpulse prüfen kann. Wir haben doch schließlich einen freien Willen, oder?

Richtig.

Emotionen sorgen dafür, dass wir bewusst vergleichen und prüfen können. Sie vermitteln durch Gefühle und Gedanken, welche Kriterien anzulegen und welche Prioritäten zu setzen sind. Sie geben Ziele und Handlungsrahmen vor.

Wozu?

Damit wir uns vom Säugling zur Mutter oder zum Vater weiterentwickeln und unsere Kinder beim Heranwachsen unterstützen können.

Damit wir als Einzelner und als Gemeinschaft immer mit dem Notwendigsten versorgt sind, Gefahren frühzeitig erkennen und allein oder gemeinsam aktiv werden.

Das gilt mehr oder weniger für alle Lebewesen.

Wir haben jedoch die Fähigkeit zum Dialog mit uns selbst.

Wir können im Selbstgespräch, in unseren Überlegungen und Fantasien bewusst mit den Quellen unserer Emotionalität kommunizieren.

Je bewusster wir mit den Instanzen reden, desto klarer wird, dass die Emotionen Teile eines in sich logische Systems sind.

Wir sind unsere Emotionen – und gleichzeitig, durch das bewusste Ich, sind wir Partner dieser inneren Kraftquellen.

Das bewusste ‚Ich‘ beginnt meist schon in sehr frühen Jahren sich mit Fragen an äußere Instanzen von seiner Emotionalität gedanklich zu distanzieren.

Was muss ich machen und wie muss ich sein, um geliebt, also versorgt, angenommen, beschützt oder verstanden zu werden?

Solange ich fremden Geboten gehorche, ignoriere ich mein Wissen, mein Fühlen, Denken und Wollen. Das schmerzt.

Wozu?

Wozu schmerzt es?

Eine Stimme in mir antwortet: „Dir wurde das Leben nicht geschenkt, damit du wie ein Roboter funktionierst. Ich will, dass du wirklich und wahrhaftig dein eigenes Leben führst, dass du dich zu einer eigenständigen Persönlichkeit entwickelst.“

Frage ich danach, warum ich mich selber bremse oder fremden Geboten gehorche, dann tauchen Erinnerungen an unangenehme Zeiten auf. In vielen analytischen Sitzungen habe ich die wesentlichen, traumatischen Erlebnisse der Kindheit versucht emotional zu verstehen, sie mit der Kraft des Erwachsenen nachzuempfinden, die entstandenen Irrtümer zu offenbaren und mir selbst zu verzeihen.

Die Frage nach dem „Warum“ führt in das alte Leid zurück. Doch, nach der Trauer über das, was nicht mehr zu ändern ist, nach der folgenden, kaum erträglichen Kälte und Leere öffnet sich die Seele einer neuen Zeit: der Gegenwart.

Die werdende Persönlichkeit gibt sich selbst einen Sinn.

Wozu will ich...

Für mich war und ist die Konfrontation mit meinen eigenen alten Geschichten wichtig. Aber, es ist verdammt gut zu verstehen, dass Menschen diese Auseinandersetzung mit den Quellen ihrer Qualen und Illusionen meiden.

Es ist gut, sich seiner eigenen Kräfte bewusst zu werden und nach vorne zu schauen.

Wer ist für den Schmerz, die Niedergeschlagenheit, die Verstimmung, die Wut, die Sucht, die emotionalen Blockaden, die innere Zerrissenheit oder für die Verzweiflung verantwortlich?

Abhängig von der Art der Emotion melden sich bestimmte innere Stimmen. Es sind verschiedene Instanzen oder Persönlichkeitsanteile, die sich für unterschiedliche Ziele stark machen. Diese Quellen der Emotionen sind universeller Art.

Es sieht so aus, als handle es sich bei diesen Typen um Funktionen, die in allen Seelen gleichermaßen, aber in unterschiedlicher Stärke, vorhanden sind.

Ihre Antworten weisen in unterschiedliche, häufig gegensätzliche Richtungen. Das passt zu der Wahrnehmung, dass unterschiedliche Gehirn-Areale bestimmte Aufgaben übernehmen.

Jeder Organismus, der sein Leben selbst regelt, braucht gegensätzliche Potenziale. Sie zwingen dazu, für sich selbst ganzheitlich akzeptierte Ziele, Verhaltensnormen und Wege zu finden. Weicht man nach rechts oder links vom Weg ab, meldet sich die betroffene Instanz mit zunehmend kräftigen Gefühlen, die andauern, bis man wieder auf dem Weg ist.

Es gibt Menschen, bei denen sich die inneren Gegensätze offenbar auf eine gemeinsame Haltung und Ausrichtung verständigt haben. Sie wissen, was sie wollen und, solange nichts ihre Situation erschüttert, gehen sie ihren Weg.

Die meisten aber fühlen sich häufig mehr oder weniger stark hin- und her gerissen. Sie sind unzufrieden. Der innere Friede fehlt.

Ich stehe zwischen den Extremen, will sowohl das Eine als auch das Andere. Ich bin verzweifelt und muss mich entscheiden.

Wer muss sich entscheiden?

Ich suche nach Lösungen, die mich zufrieden stimmen.

Ich suche nach Lösungen, die von all meinen Anteilen mit getragen und unterstützt werden – die mir ein gutes Gefühl vermitteln.

Die inneren Typen vertreten recht unterschiedliche Bedürfnisse. Aber, alle sind von existenzieller Bedeutung. Sie müssen erfüllt werden, damit ich mich entfalten und leben kann.

Ich wende mich an diese universellen Persönlichkeitsanteile. Sie bilden mein inneres Team, das zu gemeinsamen Entscheidungen kommen soll. Dieses Team und alle damit verbundenen Instanzen und Hierarchien kommunizieren miteinander in einer Art, die sich dem Bewusstsein in Träumen offenbart.

W37C1P1
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Inhaltsverzeichnis
  1. Emotionen und Grundbedürfnisse
    1. Wozu sind Emotionen gut?
    2. Das Direktorium
    3. Fest verankert oder hoch hinaus
    4. Sicherheit
    5. Durchsetzung
    6. Der Konflikt: Sicherheit oder Durchsetzung
    7. Auf der Bühne oder im Publikum
    8. Zugehörigkeit
    9. Individualität
    10. Der Konflikt: Zugehörigkeit oder Individualität
    11. Ein cooler Typ oder ein warmherziger Mensch
    12. Erkenntnis
    13. Empathie
    14. Der Konflikt: Erkenntnis oder Empathie
    15. Der Vorsitzende und sein Team
    16. Multiple Konflikte
    17. Die Beteiligten
  2. Persönlichkeiten
    1. Die Freiheit der Glücklichen
    2. Die Wahl des richtigen Weges
    3. Sich auf eine neue Art bewegen
    4. Lebenskonzepte
    5. Von der Kopie zum Original
    6. Entwicklungs-Persönlichkeiten
    7. Erhaltungs-Typen
    8. Beziehungs-Menschen
    9. Orientierungs-Persönlichkeiten
  3. Selbstbestimmung
    1. Das Selbst bestimmt
    2. Aus sich selbst heraus
    3. Sich die Freiheit nehmen
    4. Gelassen werden
    5. Mit den Göttern reden
    6. Ins gelobte Land
    7. Sich selbst organisieren
    8. Der Moderator
  4. Selbstentwicklung
    1. Die Schatzkammern
    2. Ganzheitliche Intelligenz
    3. Die Kräfte entfalten
    4. Das Leben gestalten
    5. Abschied von der Kindheit
    6. Das Gute und das Böse
    7. Religionen
    8. Geistige Bedürfnisse
    9. Auf die Gefühle achten
    10. Der passende Beruf
  5. Beziehungen
    1. Zwei einzigartige Menschen
    2. Beziehungsthemen und Ziele
    3. Berufliche Beziehungen
    4. Vertrauen begründen
    5. Ziele synchronisieren
    6. Vernunft und Egoismus
    7. Inhalte und Emotionen
    8. Mit wem rede ich?
  6. Lernen und Spaß haben
    1. Die Lust, sich etwas anzueignen
    2. Die Schatzkammern füllen
    3. Lernprojekte und Lernbeziehungen
    4. Erziehung oder Manipulation
    5. Verhaltensalternativen
    6. Lernumgebung und Lerntypen
    7. Bildungswesen
  7. Mitarbeiter und Teams
    1. Die Aufgabenverteilung
    2. Vertrauen und Kontrollieren
    3. Die Familie "Team"
    4. Die Mitarbeiter-Aufgaben-Passung
    5. Motivation und Führung
    6. Funktionierende Teams
  8. Kunden-Persönlichkeits-Orientierung
    1. Die Persönlichkeit des Kunden
    2. Die Beziehung: Kunde und Verkäufer
    3. Manipulierendes Verkaufen
    4. Gespräche führen
    5. Modernes Marketing
    6. Entwicklung der Kundenbeziehungen
  9. Wozu etwas ändern?