Einleitung

Die Methode TwentyFive ist der differentiellen Psychologie zuzuordnen und dient dem Ziel, sich und andere besser zu verstehen. Im Fokus stehen vor allem die gegensätzlichen Beweggründe und Orientierungen. Aus den sich daraus ergebenden emotionalen Konflikten sind Entwicklungsressourcen zu erkennen. Im Gegensatz zu vielen Persönlichkeitstests geht sie von einem sich situativ anpassenden, konfligierenden System von Beweggründen und Orientierungen aus. Um der Komplexität und Dynamik der Seele gerecht zu werden, versucht TwentyFive die Persönlichkeit eines Menschen so differenziert und ganzheitlich zu beschreiben wie es der Komplexität und Dynamik des menschlichen Geistes angemessen ist. Wie der Name TwentyFive schon impliziert, ist die Anzahl der Ausprägungen mit 25 im Vergleich zu den meisten Persönlichkeitstests sehr hoch und zudem gegliedert in 7 Ebenen. Selbst die bislang komplexesten Persönlichkeitstests wie bspw. der California Personality Inventory (CPI), den Weinert und Scheffer (2006) im deutschsprachigen Raum erforscht haben, reichen an diesen Differenzierungsgrad nicht heran. TwentyFive ist auch das einzige Verfahren, das neben impliziten Motiven als mentale Superstruktur des menschlichen Geistes (Winter, 2007) auch Grundbedürfnisse, Kontextfaktoren und das Selbstkonzept misst und miteinander in Abgleich bringen kann. Die Dynamiken, die sich aus den Diskrepanzen dieser Subsysteme des menschlichen Geistes und ihrer Einbettung in Strukturen der Umwelt ergeben, stehen dezidiert im Fokus dieser Methode. Analysen gemäß der TwentyFive Methode können neueste Technologie aus dem maschinellen Lernen und der Künstlichen Intelligenz (KI) nutzen, um sich der Wirklichkeit eines Menschen valide aus verschiedenen Blickwinkeln zu nähern. TwentyFive vertritt die Annahme, dass nur eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen zu einem erfolgversprechenden Ergebnis führen kann. Damit möchte die Methode die Menschen dazu animieren, sich mit ihrem Selbst und dem Kontext ihrer Umstände leichter auseinandersetzten zu können. TwentyFive ist eine Methode, die 25 Ausprägungen benutzt, um die Tiefenmotivation eines Menschen beschreibbar zu machen. Es stehen daher die impliziten Motive und Grundbedürfnisse im Mittelpunkt. Die Methode stellt sich unter anderem der Herausforderung, die Korrelation der Grundbedürfnisse mit den impliziten Motiven zu beschreiben, was kein anderes Verfahren versucht. Diese Befunde dienen dem Menschen, eine motivationale Kongruenz zu erreichen oder aufrechtzuerhalten, was angesichts der Vielfalt von Bedürfnissen und Motiven sowie ihren oft antagonistischen Verschaltungen nicht einfach ist (Heckhausen & Heckhausen, 2018; Scheffer & Heckhausen, 2018). Somit versucht die Methode folgende zentrale Fragen für den Menschen zu beantworten: * Wie beeinflussen Bedürfnisse und Motive gemeinsam das Verhalten und die Persönlichkeit eines Individuums? * Wie werden Konflikte zwischen Bedürfnissen und Motiven dargestellt und bei Bedarf gelöst? * Wie und warum soll dieses Wissen verbreitet und genutzt werden? Ausgehend von diesen Fragen können Empfehlungen ausgesprochen werden, die das Wohlbefinden des Menschen im privaten sowie im arbeits- und organisationsspezifischen Kontext verbessern. Die Grundannahme, mit welcher diese Methode Verhalten beschreibt, ist, dass Persönlichkeit Ausdruck von Motiven, Bedürfnissen und Emotionen ist. Das Verhalten wird von der Motivation gesteuert, welche wiederum von situativen Anreizen und dispositionellen Eigenschaften abhängig ist (Scheffer & Heckhausen, 2018). Wenn das Verhalten als Ausdruck von Bedürfnissen und Motiven unter Berücksichtigung der Orientierung und Fokussierung aufgefasst wird, wird das Handlungsspektrum eines Menschen erweitert und lässt die unterschiedlichsten Blickwinkel zu. Der Kontext, der dabei eine Rolle spielt, ist variabel und kann bzw. soll sich ergänzen. Die Emotionen dienen dazu, die Signale des Körpers richtig zu erkennen und gegebenenfalls rechtzeitig eine Verhaltensregulation herbeizuführen. Damit wird die Komplexität einer Persönlichkeitsbeschreibung enorm erhöht und kommt dem menschlichen Verhalten näher. In Anlehnung an Jung (1986) stehen folgende Fragen im Mittelpunkt der Methode: Wozu dient dieses Verhalten? Welche Ziele und Ideen sollen durch das Verhalten erreicht werden? Um diese Fragen zu beantworten, umschließt die Methode TwentyFive sieben Ebenen. Diese Ebenen bestehen aus 25 Ausprägungen zur Beschreibung und Annäherung der Tiefenmotivation eines Menschen. Die Ebenen teilen sich auf in die impliziten Motive, die Grundbedürfnisse, die Präferenze, die Orientierung und die Fokussierung. Die höchste Ebene bezieht sich auf das Selbstbild. Dieses setzt das Verhalten in den Kontext zu bestimmten, erwünschten und gelernten Verhaltensweisen. In der vierten Ebene wird das Verhalten in bestimmten Situationen beschrieben und bezieht sich dabei auf die aktuelle Erfüllung der Grundbedürfnisse. Die Verhaltensebene kann für die Beispiele zur Erklärung herangezogen werden, deswegen wird diese Ebene nicht extra in dieser Abhandlung erläutert. Am Anfang werden zuerst die Annahmen der dynamischen Struktur und der positiven Psychologie hergeleitet und der Leser auf den aktuellen Stand der Forschung gebracht. Dann werden die Ebenen beschrieben, welche dazu dienen, die Handlungsmotive eines Menschen aufzuzeigen und parallel findet ein Transfer zu den Steuerungsinstrumenten der Emotionen statt. Die Relevanz dessen wird in dem Kapitel „Logik der Emotionen“ tiefer verfestigt. Am Ende findet die kritische Würdigung statt und beschrieben, welche Ideen und Verknüpfungen mit dieser Methode in der Zukunft realisiert werden können. Vorab schon einmal eine Darstellung der Methode TwentyFive. Abbildung 1: TwentyFive (vertikal) Diese sieben Ebenen von TwentyFive sind komplex. Zum besseren Verständnis wollen wir die duale Systemtheorie von Kahneman (2011) und die Persönlichkeitssystem-Theorie von Kuhl (2001) nehmen, um sie zu erklären. Dabei soll auch ausdrücklich auf das Strukturmodell der Psyche von Freud (1994) verwiesen werden, das als ein theoretischer Vorläufer von TwentyFive angesehen werden kann. Freud (2003) hatte die menschliche Psyche in die drei Instanzen „Über-Ich“, „Ich“ und „Es“ aufgeteilt. Das „Es“ repräsentierte bei ihm die menschlichen Instinkte und Triebe. In Abbildung 1 entspricht dies der untersten Ebene, den impliziten Motiven. Der Ausdruck implizit bedeutet etwas Ähnliches wie das Unbewusste bei Freud, aber der Begriff ist weniger absolut. Implizite Motive sind nicht völlig unbewusst und dies auch nicht, weil etwas verdrängt wurde. Aber das sind Feinheiten. Wie Freud glauben auch wir, dass das Unbewusste bewusst gemacht werden sollte, also dem „Ich“ zugänglich gemacht werden soll. Dieses „Ich“ steht wie bei Freud auch in der Mitte des Ebenen-Modells und wird durch das bewusste Erleben der eigenen Bedürfnisse und der aktuellen Situation geprägt. Die bewusste Präferenz für Aspekte der Situation wie Partner, Gruppen oder die introvertierte Ausrichtung auf das Selbst gehören hierzu ebenso wie das Interesse an der Vergangenheit, dem Jetzt und der Zukunft. Auch die Grundbedürfnisse wie bspw. nach Durchsetzung, Sicherheit etc. sind teilweise bewusst, sie haben aber auch einen unbewussten Anteil und sind daher näher an den impliziten Motiven als die Präferenzen. Oberhalb des vom „Ich“ bewusst Erlebten liegt die Ebene der kognitiven Systeme, die bereits von Jung (1986) und später von Kuhl (2001) im Rahmen der PSI-Theorie weiterentwickelt wurden (siehe auch Scheffer & Kuhl, 2006; 2010). Sie sind weitgehend bewusstseinsfähig, gehören aber teilweise auch zu System 1, wie es Kahneman (2011) konzipiert hat. System 1 ist, wie die Motive, implizit. Hierzu gehören die Intuition und das Fühlen. Denken und Wahrnehmen sind dagegen bewusster, jedenfalls in dem hier gemeinten Sinne. Wahrnehmen (Sensing) wird bspw. von Jung und Kuhl als bewusst und analytisch aufgefasst, weil es um die Fokussierung auf Details und gerade nicht die unterschwellige Wahrnehmung geht. Unterhalb dieser kortikalen kognitiven Systeme liegen subkortikale Prozesse, die wieder weitgehend implizit sind. Wie sehr wir uns durch Emotionen oder Fakten leiten lassen, ist uns meistens nicht vollständig bewusst. Auf der obersten Ebene liegt in Freuds Sinne das „Über-Ich“ bzw. das Imperative Selbstbild. Auch dieses scheinbar bewusste Selbstkonzept hat jedoch mächtige implizite Anteile, die in der Ebene darunter zu finden sind. So beeinflussen besonders negative soziale Emotionen dieses „Über-Ich“ in starkem Ausmaß. Wir fühlen uns „schuldig“, wir „schämen“ uns oder empfinden „Schande“ und können dadurch in gesellschaftliche oder familiäre Erwartungen eingebunden werden, selbst dann, wenn uns dies schadet (Voland & Voland, 1995). Der Antagonist des „Es“ bzw. der impliziten Motive und Grundbedürfnisse, die egoistisch nach Befriedigung streben, ist das „Über-Ich“, in ihm spiegeln sich die Regeln und Erwartungen der Eltern, der Tradition, der Religion und der Gesellschaft wider. Das bewusste „Ich“ muss hier einen Ausgleich finden. Es muss darauf aufpassen, dass keine der beiden Antagonisten extreme und damit schädliche Ausprägungen erreicht. Die Interaktionen der Subsysteme auf den sieben Ebenen sind hochkomplex und dynamisch. Allegorisch lässt sich dieses Geschehen wie das Zusammenwirken eines inneren Teams verstehen (Schulz von Thun, 2002). Wie diese Ebenen und Subsysteme miteinander interagieren, versucht die PSI-Theorie zu formalisieren. Sie wird als „roter Faden“ immer wieder erwähnt.

 

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